Ich lief zur Schule, um den Schlüssel zu holen. Auf dem Fußweg vor der Pension tippelte ein jugendliches Taubenküken hin und her. Kein flauschiges Küken mehr und noch keine erwachsene Taube, etwas größer als eine ausgewachsene Amsel und goldig anzusehen. An den Rändern seiner grauen und schwarzen Federn lugten noch winzige gelbe Flaumfederspitzen hervor. Als hätte das Vöglein nur kurz eine dunkle Jacke übergeworfen. Es schaute mich mit seinen Knöpfchenaugen an.
Hoch oben auf dem Apothekerhaus auf der anderen Straßenseite gurrte es laut, dort saß wohl das zugehörige Elternteil und machte sich Sorgen. Auf der Straße rauschten die Autos vorbei, das Küken – es konnte noch nicht fliegen, jedenfalls noch nicht starten – hätte keine Chance gehabt, zu Fuß hinüber zu kommen. Ich fing es ein und trug es über die Straße. Es fasziniert mich immer wieder, wie leicht Vögel sind. Aber wann trage ich schon mal welche …
Ich setzte das kleine Kerlchen im Hof der Apotheke ab, lief ein paar Schritte und blieb stehen. Meine Aktion war beobachtet worden, Mama Taube kam herunter geflogen und trieb ihr großes Baby weiter in den Hof hinein, weg von der gefährlichen Straße.
Als ich die beiden aus den Augen verloren hatte, ging ich weiter. Später, auf dem Rückweg, suchte ich die Straße ab und schaute in den Hof. Offenbar war alles gut gegangen, das Küken hatte den Ausflug überlebt.
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